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Mythen über die Trauer

„Der Trauerprozess dauert ein Jahr“

 

Es ist individuell völlig unterschiedlich, wie lange der Trauerprozess dauert.

Daher gibt es also kein „normal“ und kein „abnormal“.

„Stark bleiben und nach vorne schauen“

Das ist in den ersten Wochen bzw. Monaten nach dem Verlust kaum möglich.

„Du musst loslassen“

Trauernde wollen ihre Verstorbenen meist nicht loslassen. Sie wollen mit ihnen in Verbindung bleiben.

Im Gegensatz dazu ist das Loslassen von negativen Gefühlen (Angst, Schuld, Wut, Verzweiflung) von den Betroffenen erwünscht, wenn auch in der ersten Zeit meist nicht möglich. Diese Gefühle müssen auch durchlebt werden.

„Es ist besser, nicht darüber zu reden“

Das ist ganz unterschiedlich. Viele Menschen brauchen gerade in der Krise jemanden zum Reden.

„Ich muss das mit mir selbst ausmachen“

Kann man, muss man aber nicht. Wer in seinem Umfeld keine verständnisvollen Begleiter findet, kann sich auch professionelle Hilfe holen.

„Die Zeit heilt alle Wunden“

Seelische Wunden vernarben, werden mit der Zeit blasser und der Schmerz lässt nach. Sie bleiben aber lebenslange Begleiter. Man lernt, mit ihnen zu leben.

„Je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten war, desto größer ist die Trauer“

Die Intensität der Trauer kennt keine Schwangerschaftswoche! Ein früher Verlust kann also genauso schmerzhaft sein wie ein späterer Verlust.

„Die Trauer verläuft in linearen Phasen“

Der Trauerprozess verläuft nicht linear. Daher wechseln sich die verschiedenen emotionalen Phasen ab, kommen und gehen wie Wellen, oder kehren in unregelmäßigen Zyklen wieder. Mit der Zeit werden die stabilen Phasen allerdings länger und die Trauerwellen schwächer.

„Die Trauer hat ein Ende“

Ein Verlust ist und bleibt ein Verlust. Das traumatische Ereignis ist nicht rückgängig zu machen. Da kein Kind zu ersetzen ist, wird dich das Erlebte eventuell ein Leben lang begleiten. Es geht aber darum, mit der Zeit einen guten Umgang mit den eigenen Gedanken und Gefühlen zu erlernen, um wieder in ein glückliches Leben zu finden. Ziel wäre es, dass das Erlebte ein Teil des eigenen Lebens, also integriert wird.

„Wenn jemand richtig trauert, sieht man es ihm an“

Man sieht Trauer vielen Menschen nicht an. Sie ist aber trotzdem da. Doch nicht jeder möchte seine Gefühle zeigen. Manche Menschen verschließen sich nach außen und wollen nicht darüber reden.

„Trauer = Depression“

Trauer ist eine natürliche Reaktion des Menschen auf ein traumatisches Verlusterlebnis.

Depression ist eine psychische Erkrankung, die auch ohne erkennbare Gründe entstehen kann.

Kreisen Gedanken und Gefühle bei der Trauer in erster Linie um die verstorbene Person, so drehen sie sich bei einer Depression eher um das Selbst.

„Nimm Medikamente, dann geht es dir besser“

Trauer ist eine normale Reaktion des Körpers und der Psyche. Sie ist (nach Chris Paul)

die Lösung und nicht das Problem, das es zu bekämpfen gilt. Demnach sollte auch das Niederringen oder Betäuben dieser normalen, wenn auch sehr schmerzlichen Gefühle nicht die erste Wahl sein.

Das Leben beschert uns leider Krisen. Wir dürfen daher auch einmal nicht funktionieren, selbst wenn es das Umfeld gerne anders hätte. Wenn wir aber lernen, unsere Krisen aus eigener Kraft durchzustehen, dann entwickeln wir Überlebensstrategien, die uns in allen weiteren Phasen des Lebens stärken können.

Wird jedoch bei Trauernden eine Depression diagnostiziert, entscheidet der Facharzt über das weitere Vorgehen. In manchen Fällen kann eine medikamentöse Unterstützung hilfreich und wichtig sein. 

„Die Geschwisterkinder sind zu jung, um den Tod zu begreifen“

Kinder trauern anders als Erwachsene. Je nach Alter und Entwicklungsstand realisieren sie aber, was es heißt, wenn das Geschwisterchen, auf das sie sich gefreut haben, nun doch nicht da ist. Das verstorbene Geschwisterchen ist ja auch Teil ihres Lebens. Kind- und altersgerecht sollen sie behutsam informiert und begleitet werden. Einfühlsame Kinderbücher zum Thema sind hier eine gute Unterstützung. Das Einbeziehen in tägliche Rituale zeigt den Kleinen, dass sie etwas für ihr verstorbenes Geschwisterkind tun können.

„Die Trauerenden müssen schnell in ihren Alltag zurückkehren. Beschäftigung und Ablenkung sind gut!“

Die Frage ist:

schaffen die Trauernden das überhaupt? Ist es in ihrem Zustand möglich, zu funktionieren? Haben sie die Kraft dazu?

 

Beschäftigung und Ablenkung sind zwischendurch sicher wichtig und gewisse Auszeiten von der Trauer können sehr hilfreich sein.

Trauernde sind aber, vor allem in der ersten Zeit nach ihrem Verlust, meist nicht sehr belastbar und daher leichter mit täglichen Aufgaben überfordert.

Ein ständiges Verdrängen der Trauergefühle durch permanente Ablenkung und Beschäftigung kann in manchen Fällen auch zu psychischen Erkrankungen, wie Angststörungen oder Depressionen führen.

Jeder Mensch ist und reagiert anders, daher muss auch jeder den für sich richtigen Weg finden.

„Ein neues Baby hilft dabei, schneller über den Verlust hinwegzukommen“

Jedes Kind ist einmalig und einzigartig und somit nicht ersetzbar. Deshalb wird dieses Baby immer fehlen, egal wie viele Geschwisterkinder noch nachkommen. Mit der Geburt eines lebenden Geschwisterkindes ist dementsprechend nicht automatisch alles wieder gut!

 Jedes Paar muss selbst für sich entscheiden, ob bzw. wann es wieder für eine erneute Schwangerschaft bereit ist. Auch hierfür gibt es keine Norm.

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