Lebendgeburt
mit anschließendem Tod des Kindes
Achtung Triggerwarnung
Auf dieser Seite informieren wir detailliert über die derzeit gültige Gesetzeslage bei einer Lebendgeburt (mit anschließendem Tod des Kindes) hinsichtlich folgender Aspekte: Hebammenbetreuung, Arbeitsrecht, Bestattungsrecht (für das Bundesland Steiermark), Personenstandsrecht und Erbrecht.
Leider lassen sich dabei Formulierungen und Reizwörter, die für Betroffene ev. befremdlich und triggernd wirken können, schwer vermeiden. Lies diesen Abschnitt am besten also nur, wenn du dich psychisch dafür gerade in der Lage fühlst oder lass dich durch eine vertraute Person dabei unterstützen.
Rechtliche Definition einer Lebendgeburt nach dem Hebammengesetz
Das Hebammengesetz definiert eine Lebendgeburt mit dem Vorliegen eines Lebenszeichens bei dem Kind (etwa Atmung, Herzschlag, Pulsation der Nabelschnur oder deutliche Bewegung willkürlicher Muskeln) nach vollständigem Austritt aus dem Mutterleib. Diese Definition ist unabhängig von der Dauer der Schwangerschaft und auch unabhängig von einem Geburtsgewicht. Irrelevant für diese Definition ist auch, ob irgendeine Überlebenschance für das Kind besteht.
Zu beachten ist, dass eine Lebendgeburt, bei der das Kind kurz nach der Geburt verstirbt, grundsätzlich aus rechtlicher Sicht wie eine „normale“ Geburt (etwa in Hinblick auf die Regelungen des Mutterschutzgesetzes) und ein davon unabhängiger Tod des Kindes (insbesondere was das Bestattungs- und Personenstandsrecht angeht) behandelt wird. Es kommt hier auch regelmäßig zu einem Verlassenschaftsverfahren in Hinblick auf den Tod des Kindes, da geklärt werden muss, ob das Kind zum Zeitpunkt seiner Geburt Vermögen hatte und wer dieses Vermögen nach dem Kind erbt.
Hebammenbetreuung
Sozialversicherungsrechtlich stellt die Geburt den „Versicherungsfall der Mutterschaft“ dar. Es werden also regelmäßig von der Sozialversicherung Kosten der Hebammenbetreuung bei der Geburt und allenfalls auch vor und nach der Geburt übernommen.
Arbeitsrecht
Im Falle einer Lebendgeburt besteht – ungeachtet des Todes des Kindes nach der Geburt – ein Beschäftigungsverbot für die Mutter bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung, das sich allenfalls – abhängig vom Geburtstermin und anderen Umständen (Frühgeburten, Mehrlingsgeburten, Kaiserschnittgeburten) – auf bis zu 16 Wochen verlängern kann.
Auch besteht nach der Geburt ein Kündigungs- und Entlassungsschutz. Die Dienstnehmerin kann bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung nur mit vorheriger gerichtlicher Zustimmung gekündigt bzw. entlassen werden.
Eine Kündigung nach diesem Zeitraum in Zusammenhang mit einer Geburt kann allenfalls aus anderen Gründen bekämpft werden (etwa, wenn diese Kündigung eine Diskriminierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz darstellt¹). Dies erfordert aber eine rechtliche Prüfung im Einzelfall.
¹ Vgl dazu den Sachverhalt zu OGH 27.02.2014, 8 ObA 81/13i: „Als die Klägerin dann in weiterer Folge eine Fehlgeburt erlitt und drei Wochen im Krankenstand war, wurde sie wenige Tage nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenstand am 13. 11. 2009 zum 31. 12. 2009 gekündigt. Ihr wurde als Grund angegeben, dass das Kind, das sie verloren hatte, ein Wunschkind gewesen sei und es daher wahrscheinlich sei, dass sie wieder schwanger werde und mit Komplikationen zu rechnen sei.“
Bestattungsrecht (für das Bundesland Steiermark)
Dieser Fall ist gleich zu behandeln wie jeder andere Todesfall. Es herrscht Bestattungspflicht.
Die Entscheidung über die genaue Vorgehensart (welche Bestattungsart, welcher Bestattungsort, Einäscherung, etc.) obliegt grundsätzlich den nächsten Verwandten des Kindes, im Regelfall also der Mutter.
Treffen die nächsten Verwandten keine Verfügungen, hat entweder die Gemeinde oder das Anatomische Institut der Universität Graz (welches davor die Leiche für Forschungs- bzw. Lehrzwecke nutzen kann) der Bestattungspflicht zu entsprechen und eine Bestattung in die Wege zu leiten.
Das Gesetz sieht keine exakte Frist für Angehörige vor, Verfügungen für die Bestattung zu treffen. Das Gesetz sieht jedoch grundsätzlich vor, dass eine Bestattung binnen 7 Tagen durchzuführen ist – daher sind entsprechende Verfügungen von Angehörigen rasch zu treffen. Es ist daher dazu zu raten, so schnell wie möglich allen Beteiligten (dem Krankenhaus, den beigezogenen Ärzt*innen) klar zu kommunizieren, wenn man selbst eine Bestattung oder Einäscherung organisieren will und sich darüber zu informieren, welche Schritte zu setzen sind.
Eine Obduktion wird im Regelfall nur dann durchgeführt, wenn diese gerichtlich oder behördlich angeordnet wurde oder die Angehörigen zustimmen. Bei einem Tod in einer Krankenanstalt kann aber unter bestimmten Umständen (§§ 25 und 40 Abs 1 lit b KaKuG) eine Obduktion auch ohne Zustimmung der Angehörigen durchgeführt werden. Äußern die Angehörigen jedoch einen Widerspruch gegen eine Obduktion, so sind die Interessen der Angehörigen mit den öffentlichen Interessen an der Durchführung einer Obduktion abzuwägen.²
Trifft man selbst Verfügungen für die Bestattung, hat man verschiedene Optionen:
Möglich sind (in der Steiermark) eine Erdbestattung, eine Beisetzung in einer Gruft, oder die Einäscherung. Erdbestattung darf nur auf einem Friedhof erfolgen. Eine Beisetzung in einer Gruft kann in Ausnahmefällen in einer individuell genehmigten Begräbnisstätte außerhalb eines Friedhofes erfolgen. Im Falle einer Einäscherung ist die Asche jedenfalls in einer Urne zu versiegeln und ist die Urne dann auf einem Friedhof, in einem Urnenhain oder in einer Urnenhalle beizusetzen oder zu verwahren. Die Kosten für die jeweils gewählte Bestattungs- bzw. Aufbewahrungsform unterscheiden sich stark, grundsätzlich kann jeder Bestatter die Preise für seine Dienstleistungen frei wählen.
Es besteht auch die Möglichkeit, mit individueller Genehmigung der Gemeinde, in der die Urne beigesetzt oder verwahrt werden soll, die Urne auch außerhalb eines Friedhofes, eines Urnenhaines oder einer Urnenhalle beizusetzen oder zu verwahren. So ist es etwa auch möglich, eine Urne bei sich zu Hause zu verwahren. Es empfiehlt sich – da das Gesetz keine detaillierten Vorgaben macht – vorab mit der zuständigen Gemeinde Kontakt aufzunehmen, und sich zu erkunden, welche Unterlagen hierfür erforderlich sind. Üblicherweise wird es notwendig sein, eine fotografische Dokumentation des geplanten Aufbewahrungsortes der Gemeinde zu übermitteln.
² EGMR 20.7.2021, 12886/16 (Polat gg Österreich), NLMR 2021, 339.
Personenstandsrecht
Es ist sowohl die Lebendgeburt, als auch der nachfolgende Tod der Personenstandsbehörde (Standesamt) anzuzeigen. Die Geburt ist spätestens eine Woche nach der Geburt anzuzeigen. Der Tod ist spätestens am auf den Todesfall folgenden Werktag anzuzeigen. Beide Anzeigen (Geburt und Tod) erfolgen regelmäßig automatisch durch die Krankenanstalt.
Es wird hier sowohl der Geburts- als auch der Todesfall standesrechtlich erfasst und können sowohl Geburts- als auch Sterbeurkunde ausgestellt werden. Es kommt auch zu einem Verlassenschaftsverfahren (siehe unten).
Erbrecht
Da es möglich ist, dass das Kind bereits bei Geburt über Vermögen verfügt, muss im Falle der Lebendgeburt ein Verlassenschaftsverfahren durchgeführt werden.
Dieses Verlassenschaftsverfahren wird grundsätzlich amtswegig eingeleitet. Das Standesamt, das die Sterbeurkunde ausstellt, übermittelt diese auch an das zuständige Bezirksgericht, dieses wiederum setzt den zuständigen Gerichtskommissär (Notar) in Kenntnis. Der Gerichtskommissär setzt sich dann mit den Angehörigen in Verbindung, um in Erfahrung zu bringen, ob Vermögen des Kindes vorhanden ist.
Da üblicherweise kein Vermögen des verstorbenen Kindes vorhanden sein wird, erschöpft sich das Verlassenschaftsverfahren regelmäßig in einer Todesfallaufnahme durch den Gerichtskommissär, in welcher festgehalten wird, dass kein zu verteilendes Vermögen vorhanden ist und in der Feststellung des Gerichtskommissärs, dass ein weiteres Verfahren unterbleiben kann.